Entwicklung des Schulwesens in Pottendorf

von Frau Regierungsrätin Elisabeth Leopold

Zitiert aus dem Ausstellungskatalog „800 Jahre Pfarre, Land und Leute“ 1988 von Annemarie Blümel unter dem Titel „Aus der Schule geplaudert“.

Es ist nachweisbar, dass Kinder um 1640 bereits unterrichtet wurden; wo sich die erste Schule befand, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Aus Pottendorfer Pfarrmatriken weiß man, dass 1641 ein Herr Salomon Langs, Ludimoderato (=Schulmeister, die allgemeine Bezeichnung für den Lehrer der damaligen Zeit) als Taufpate fungierte. Es sind noch weitere zwölf „Schulmaister“ aus dieser Zeit bekannt.

Die Marktschule Pottendorf

„Am 4. August 1794 hat in Pottendorf das Schulgebäude angefangen.“ - am Platz des wahrscheinlich ersten „Gmainhauses“ Konsc. Nr. 65 (heute Kirchenplatz 5). – findet man in der Pfarrchronik von Pfarrer Johann Zisser. Es war ein ebenerdiges Gebäude und bestand aus: 1 Schulzimmer, 1 Schlafort des Lehrgehilfen, 1 Wohnzimmer des Lehrers, 1 Kuchel, 1 Speise, 1 Kühestall und Kellerräume. Es hatte „einen Eingang von der Gassenseite, deto einen von der Hofseite“. Schullehrer war Franz Ruthner und er wohnte im neuen Schulhaus am Kirchenplatz 5.

Ab 1822 gab es in Pottendorf zusätzlich die Fabriksschule, bestehend aus zwei Klassen, die in 3 Abteilungen für ca. 242 Kinder geführt wurde. Die Kinder hatten täglich 1 Stunde Unterricht, am Samstag 2 Stunden und am Sonntag nach der Christenlehre 1 Stunde, die übrige Zeit war für die Arbeit in der Fabrik vorgesehen. Der erste Schulleiter der Fabriksschule war der Fabriksbeamte Johann Mich.Kraup, dem die Lehrer J. Grünzweig, Franz Zisser und K. Weiß zur Seite standen.
1849 bekam die Fabriksschule einen eigenen Fabriksschulleiter, den Lehrer Josef Gröger. Er wohnte am Hennebergplatz 2. Er hatte 36 Stunden pro Woche Unterricht zu erteilen. Er unterrichtete die 3 Abteilungen allein; jede Abteilung hatte täglich 2 Unterrichtsstunden.
Um 1870 ging die Kinderzahl in der Fabriksschule stark zurück, nahm aber in der Marktschule stark zu.
1869: Reichsvolksschulgesetz: Umwandlung der Marktschule in eine allgemeine Volksschule. Der Nachfolger Grögers war der Direktor der Bürgerschule Theodor Walter.
1888 wurde die Fabriksschule als eigene Anstalt aufgelöst. Die Marktschule war zunächst einklassig, geführt in 3 Abteilungen: die erste umfasste 234, die zweite 90 und die dritte 35 Kinder; aufgenommen wurde zu Ostern und zu Allerheiligen. Da die kleine Marktschule für die große Zahl der Kinder nicht genug Platz hatte, mussten die Schüler in anderen Gebäuden unterrichtet werden: im Göstl´schen Haus und im Gasthaus zur Kaiserkrone. Schuldirektor und Lehrer war Josef Schöppl.
1871 beriet der Gemeindeausschuss unter Bürgermeister Josef Pallisch über eine durch das Anwachsen der Bevölkerung notwendig gewordene Neugestaltung der Schule. Man beschloss den Abbruch des alten Schulgebäudes (Mädchenschule), an dieser Stelle den Neubau eines einstöckigen Schulhauses für Mädchen und die Umgestaltung des Gemeindehauses Konsc. Nr. 102 (heute Hauptstraße 15) in eine Volks- und Bürgerschule für Knaben.
1874: Eröffnung der Knaben Volks- und Bürgerschule mit 8 Klassen.tl_files/_files/_bilder/KnabenVS1900.jpg
1875: Eröffnung der „Mädchenschule“. In der neuen Mädchenschule waren im ersten Stock 4 Klassen, ebenerdig die Wohnung für den Oberlehrer und zwei Lehrkräfte.tl_files/_files/_bilder/MVS3.jpg
1874/75 stellte der Oberlehrer der Mädchenschule Josef Schöppl beim LSR den Antrag, dass ausnahmsweise auch Mädchen die Knaben Volks- und Bürgerschule besuchen dürfen – Antrag abgelehnt!
1911/12 aber war es dann so weit: Die ersten Mädchen hielten Einzug in die Knaben – Bürgerschule.
1927/28 wurden in der Bürgerschule ein „Einjähriger Lehrgang“ und eine „Allgemeine, gewerbliche Fortbildungsschule“ eröffnet. Leider reichten die Räumlichkeiten wieder nicht aus, das Schulgebäude wurde schön langsam aber sicher immer baufälliger und die Gemeindevertreter mussten sich mit der Frage eines Schulneubaues beschäftigen...

Bautechnisches

Der Bau besteht zur Gänze aus Ziegeln und Eisenbeton. Das Schulgebäude hat durchwegs Flachdächer, von denen einige als Terrassen verwendet werden können. Beheizt wird das Gebäude mittels einer Niederdruckdampfheizung, für die Trinkwasserversorgung gibt es einen 7m tiefen Brunnen. Die Fußböden in den Klassenräumen sind grüne Steinholzfußböden mit Hohlkehlenwandaufzug zur besseren Reinigung; die Gänge sind aus Terrazzopflaster; der Turnsaal besitzt einen Parkettfußboden. Die Figuren auf dem höchsten Dachteil sind aus roter Terrakotta, gestaltet vom Bildhauer Josef Riedl.

Das Gelände umfasst insgesamt 6.050 m²; davon fallen auf das Schulgebäude 1.370m², verbleiben als Hof, Garten und Spielplatz 4.680m². Hauptschullehrer Fritz Tatzel ist begeistert von der neuen Schule, in der sich völlig neue pädagogische Möglichkeiten in der Unterrichts- und Erziehungsarbeit bieten.

Am 1. Oktober 1929 besuchten insgesamt 556 Schülerinnen und Schüler die Schule: an der Knabenvolksschule 182 Schüler, an der Mädchenvolksschule 165 Schülerinnen; an der Hauptschule 209 Schülerinnen und Schüler.

Diese neue Schule war so einzigartig (erstes Schulschwimmbad in Österreich), dass Interessierte aus zahlreichen Ländern die Schule besichtigen wollten. Der Andrang war so groß, dass der Leiter der Schule, Direktor Hans Brod (1924-1934) von der Unterrichtserteilung freigestellt wurde, um Führungen durchzuführen.

Die Innenausstattung der neuen Schule war jedoch noch nicht auf dem letzten Stand; das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Zum Teil wurden die Schulbänke und Tafeln aus der alten Schule weiter verwendet. Schulfeiern wurde veranstaltet; Herr Oberlehrer Heigl spendete selbstlos einen namhaften Geldbetrag; Hauptschullehrer Fritz Tatzel übernahm in seiner Freizeit, unterstützt von der Schuljugend, die Gestaltung der Gartenanlagen. Bis 1939 gab es in der Schule einen Heilkräutergarten, der einen jährlichen Ertrag bis zu 100 kg ergab.